Gut neun Jahre ist es mittlerweile her, als die erste Generation des iPad Pro 12,9" im Jahr 2015 veröffentlicht wurde. Sechs Generationen später ist mit dem neuen iPad Pro 2024 Apples bisher dünnstes Flagship erschienen, das bereits mit seiner Ankündigung für viel Furore, insbesondere in der Kreativbranche, gesorgt hat.
Gezeigt wurde in dem rund einminütigen Ankündigungs-Clip wie ein Stapel an Musikinstrumenten, Büchern, Farben, Fotokameras und Spieleautomaten in einer Presse zusammengedrückt werden. Das Ergebnis: das neue Apple iPad Pro - und Wut und Unverständnis unter den Kreativen, warum man in Zeiten, in denen große Tech-Giganten voll und ganz auf generative KI setzen und damit auf die Ausbeutung und den Diebstahl von Kreativschaffenden sowie die Missachtung jeglicher geltender Urheberrechtsgesetze, ausgerechnet einen derart dystopischen Werbetrailer zeigt, der suggeriert, Kunst und Kultur seien Relikte von gestern, die es zu zerstören gelte und mit dem neuen iPad Pro ersetzt werden sollten.
Wenngleich sich Apple mittlerweile für diesen Werbespot entschuldigt hat, so stellt sich dennoch die Frage: Lohnt sich das neue Pro-Modell denn überhaupt noch - vor allem für die Kreative, an die sich die Pro-Reihe bisher gerichtet hat - oder kann man getrost seinem alten Modell treu bleiben? Das habe ich für euch einige Tage angetestet.
Vorweg: während die meisten meiner Branchenkolleg*innen irgendwann auf das 2., 3. oder sogar auf ein noch neueres Modell upgegradet haben, bin ich all die Jahre meinem iPad Pro der ersten Generation treu geblieben, denn es funktioniert nach wie vor einwandfrei und erfüllt die meisten Aufgaben weiterhin ohne Probleme.
Die erste Überraschung war somit, nicht nur wie dünn, sondern vor allem auch wie klein das neue Flagship und somit auch dessen Zeichenfläche ausfällt. Auch die markante Hometaste sucht man vergebens.
Dadurch, dass das iPad nun randlos ist, nutzt es die zur Verfügung stehende Fläche zwar maximal aus, dennoch ist der Bildschirm deutlich kleiner, als bislang gewöhnt. Dafür fällt aber auch der Transport wortwörtlich leichter; es wiegt fast 200g weniger als sein altes Vorgängermodell und statt eines großen Rucksackes, passt es sogar in die ein oder andere Handtasche hinein.
Und wo wir gerade beim Thema Bildschirm sind: zumindest die Modelle mit 1 oder 2 TB weisen nun eine Nanotextur auf dem Display auf, dank der das unkontrollierte Hin- und Herrutschen mit der Plastikstiftspitze auf dem spiegelglatten Glasbildschirm, wie es beim alten iPad Pro ohne zusätzliche Papiertextur-Schutzfolie üblich war, nun endlich Geschichte sein dürfte.
Das neue Ultra Retina XDR Display bietet zudem einen deutlich besseren Kontrast, tieferes Schwarz, intensivere, lebendigere Farben, mehr Brillanz und ermöglicht besonders in Kombination mit der spiegelfreien Nanotextur-Beschichtung ein präziseres und intuitives Arbeiten und ein besseres Farbmanagement.
Das größte Highlight stellt allerdings der neue Apple Pencil Pro dar.
Während der erste Apple Pencil zum Aufladen und Verbinden mit dem iPad in dessen Lightning Port eingesteckt werden musste und dabei derart stark daraus hervor ragte, dass immer eine gewisse Angst mitschwang, er könnte beim Aufladen abbrechen, lässt sich der neue Apple Pencil Pro (wie bereits sein Vorgänger, der Apple Pencil 2) magnetisch am iPad Pro befestigen. Durch seine eckige Form ist auch ein Herunterrollen ausgeschlossen, was beim alten Modell durchaus öfters auch mal für eine abgebrochene Stiftspitze gesorgt hat. Auch ein Verlieren und anschließend nerviges Suchen der Stiftkappe, welche bei der ersten Stiftegenaration den Lightning-Anschluss des Apple Pencils verdeckt hielt, fällt bei dem neuen Apple Pencil Pro weg.
Ganz besonders dürften aber seine neuen Features begeistern.
Zusammendrücken (Squeeze), Rotieren und haptisches Feedback ermöglichen viele neue Funktionen und mehr Komfort beim Schreiben und Zeichnen in den verschiedenen Apps.
So lassen sich beispielsweise der Squeeze-Funktion verschiedene Gesten zuweisen, durch die sich z.B. schnell die Werkzeugpalette aufrufen lässt oder zum Radiergummi gewechselt werden kann. Ein Sensor im Stift ermöglicht es durch Rotation zudem, die Strichstärke zu variieren, was sich besonders für Kalligraphie und Handlettering als nützlich erweisen dürfte.
Der leistungsstarke M4 Chip dürfte für viele ein weiteres Highlight darstellen.
Während das alte iPad Pro bei komplexeren Vektorgrafiken oder beim Öffnen und parallelen Arbeiten in zwei resourcenfordernden Apps schnell ins Straucheln gerät und häufiger auch mal abstürzt, zeigt das neue iPad Pro keine Verluste in seiner Performance. Dadurch ist es auch für 3D- und Animationssoftware bestens geeignet sowie für die derzeit überall groß im Trend liegenden KI-Features.
Letztere dürften aber gerade auch in Hinblick auf Apples jüngste Kooperation mit OpenAI besonders für viele Kreativschaffende, die an ihrem iPad vielleicht auch an NDA-Aufträgen weiterarbeiten möchten, zukünftig einige Fragen und Problematiken aufwerfen.
Und das Fazit: Lohnt sich denn nun ein Upgrade auf das neue iPad Pro?
Für 3D- und Motion Design-Künstler, die mobil an ihren Werken weiterarbeiten wollen, ohne zwingend eine schwere Workstation mitschleppen zu müssen, könnte das neue iPad Pro mit seinem leistungsstarken M4-Chip durchaus interessant sein.
Dadurch, dass der neue Apple Pencil Pro ausschließlich mit den neuen iPad Modellen kompatibel ist, könnte ein Upgrade auch für den ein oder anderen Digital Artist, insbesondere auch für Schriftgestalter und Handlettering-Künstler sinnvoll sein.
Wer nicht so viel Geld für ein Tablet ausgeben möchte, aber dennoch nicht auf die vielen neuen Möglichkeiten und Funktionen, die der neue Apple Pencil Pro mit sich bringt, verzichten möchte, für den dürfte allerdings auch das deutlich günstigere iPad Air 2024 bereits voll und ganz genügen. Auch Hobbykünstler oder Einsteiger sind mit einem günstigeren Modell deutlich besser beraten.
Mein persönlicher Sieger ist allerdings nicht das neue iPad Pro, sondern der Appel Pencil Pro und ich hätte gerne noch etwas mehr Zeit mit ihm verbracht. Dennoch werde ich wahrscheinlich noch etwas länger meinem alten iPad Pro die Treue halten, denn auch wenn es ein wenig in die Jahre gekommen ist, reicht es für die meisten Aufgaben nach wie vor vollkommen aus. Sollte ich doch upgraden wollen, dann eher auf das 2018er Modell; denn trotz der vielen Neuerungen und Optimierungen, die das neueste Modell mit sich bringt, so ist doch nichts davon derart bahnbrechend oder zwingend notwendig, um unbedingt auf das derzeit teuerste iPad umzusteigen. Zudem möchte ich schon alleine aus ethischen Gründen keine generativen KI-Features aufgezwungen bekommen, weshalb ein aktuelleres Modell für mich wahrscheinlich erst wieder in Frage kommen wird, wenn der große KI-Hype abgeflacht ist und neue Gesetze die Datenkrallen von OpenAI und Co. in ihre Schranken weisen.