Testbericht Light Phone 2
Eine sinnvolle Digital-Detox Option ?
Tops und Flops
Übersichtliche UI
Klein, leicht, handlich
Gute Akkulaufzeit
“Laggy" Bedienung
E-Ink Display
Preis
Ich habe von O2 ein spannendes Testgerät zur Verfügung gestellt bekommen. Es handelt sich hier um das 2019 erschienene Light Phone 2 des Startup Herstellers Light. Ich habe das Gerät, dass in der heutigen Smartphone-dominierten Welt ein Vorreiter des Digital Detox sein soll bzw. will, genau unter die Lupe genommen und euch die Erkenntnisse in diesem Testbericht zusammengefasst.
Allgemeines & Technische Daten
Das Light Phone 2 ist 91mm x 55mm x 7,5mm (LBH) groß und wiegt (ja ich habe nachgewogen) 78 Gramm (Herstellerangabe 80 Gramm). Die Rückseite und Seitenumrandung sind aus einem Stück und aus anodisiertem (ähnlich wie eloxiert) Aluminium. Die Front/das Display ist vermutlich aus Glas, dies ist aber durch die matte Milchglasoptik schwer zu sagen. Die Besonderheit hier ist, dass ein E-Ink Display verbaut, wie man es eher von EBook-Readern kennt. Das Telefon hat 1 GB RAM und 8 GB interner Speicher. Als Prozessor ist ein Qualcomm MSM8909W verbaut. Der verbaute Akku hat eine Kapazität von 950 mAh. Eine SIM-Karte im NanoSIM Format kann in einen Slot an der Seite eingelegt werden. Des Weiteren hat das Telefon einen microUSB Anschluss zum Aufladen und einen 3,5mm Klinkenanschluss für Kopfhörer oder Headsets mit an Bord. Zudem ist das Gerät mit 4G LTE, Wifi und GPS Konnektivität ausgestattet.
Das Betriebssystem des Telefons nennt sich LightOS, wobei es sich um ein modifiziertes Android 8.1 mit stark limitierten Funktionen und einer angepassten Benutzeroberfläche handelt.
Unboxing
Auf den ersten Blick fällt auf, dass die Verpackung, bis auf die Schutzfolie am Gerät und einem Bändchen um das Ladekabel, komplett aus Papier/Pappe besteht. Dies wird glücklicherweise heutzutage immer mehr zum Standard. Kreativ ist auch die Lösung, eine Art Quick-Start Guide aufklappbar mit auf die Verpackung zu bringen. So spart man sich das zusätzliche Heftchen, was bei den meisten Usern wahrscheinlich sowieso ungelesen in die Papiertonne gewandert wäre.
Neben dem Telefon befindet sich in der Verpackung nur noch ein USB-A auf microUSB Ladekabel und eine Öffnungshilfe für den SIM-Karten Slot. Auf ein Steckernetzteil wird, den aktuellen Trend folgend, verzichtet. Ebenso auf Kopfhörer, was mich persönlich jedoch nicht stört.
Alles in Allem handelt es sich um eine schicke, zeitgemäße und mehr oder weniger umweltverträgliche Verpackung und Lieferumfang.
Design & Haptik
Kommen wir nun zum Design und zur Haptik des Light Phone 2. Das Design ist schlicht … sehr schlicht. Zusammen mit dem E-Ink Display kommt es mir immer wieder vor, als halte ich einen deutlich zu klein geratenen Ebook-Reader in der Hand. Ich verstehe hier den cleanen, minimalistischen Ansatz, vermisse aber bei dem ganzen Minimalismus einen gewissen Grad an Wertigkeit.
Dass die Rückseite aus Aluminium ist, habe ich erst später in den Spezifikationen gelesen. Anfassen tut sich die Rückseite und der Seitenrahmen durch die Eloxierung eher wie ein matter Kunststoff, der zudem auch noch sehr anfällig für fettige Finger ist. Das Firmenlogo hebt sich hier leicht glänzend ab. Hier hat man meiner Meinung nach zu wenig aus dem verwendeten Material herausgeholt. Wenn man stattdessen ein nur leicht mattiertes Aluminium oder einen hochwertigen, matten Kunststoff à la Samsung A52s verwendet hätte, würde sich das Telefon deutlich wertiger anfühlen. Gerade in Hinblick auf den nicht unerheblichen Preis … aber dazu später mehr. Die Haptik und Optik erinnert mich (leider) immer wieder an meinen billigen, alten Pyrus EBook-Reader von TrekStor, nur geschrumpft.
Die Farbe ist als „black“ angegeben, ist aber de facto grau. Hier hat man sich denke ich aus Designgründen ein bißchen an den Ton des E-Ink Displays angelehnt.
Die mattierte Glasfront ist, ähnlich wie die Rückseite recht schmieranfällig. Die Glasfront ist in den Aluminium-Body eingelassen. Leider nicht ganz nahtlos, so dass ein schmaler Spalt zwischen Body und Display entsteht. Hier prognostiziere ich auf Dauer Probleme mit hartnäckigen Staubkörnern. Der Lautsprecherschlitz ist im oberen Bereich der Glasfront eingelassen, daneben ist hinter einem kleinen nicht mattierten Bereich ein Lichtsensor verbaut.
Auf der Oberkante ist der 3,5mm Klinkenanschluss sowie die Ein-/Aus-Taste zu finden. An der linken Seite sitzt der SIM Slot, auf der rechten Seite die Lauter-/Leiser-Tasten sowie eine Menütaste. An der Unterkante ist der microUSB-Anschluss sowie das Mikrofon zu finden.
Im Größenvergleich mit einem Huawei P30 Pro und einem Samsung A52s fällt natürlich sofort auf, wie klein das Light Phone 2 ist.
Allerdings ist es in der Höhe sogar noch etwas dicker als das Samsung A52s. Aber auch wenige Technik muss irgendwo ihren Platz finden.
Das Versprechen der Checkkartengröße kann Light hier nicht ganz einhalten. Das Telefon ist doch einen Tick größer als das Checkkartenformat.
Insgesamt liegt das kleine Telefon aber recht gut in der Hand. Sowohl beim aufrechten Bedienen als auch beim Tippen von Nachrichten im Querformat.
Ich selbst habe keine sehr großen Hände, daher fiel mir das Tippen zumindest von der Größe her relativ leicht. Menschen mit größeren Händen, und vor Allem Daumen, könnten hier aber auf die Grenzen der Treffsicherheit stoßen, da die Tastatur schon arg klein ist.
Software
Wie eingangs erwähnt, handelt es sich bei dem LightOS des Light Phone 2 um ein stark reduziertes Android 8.1 mit modizierter Benutzeroberfläche. Die Sprache ist Englisch. Ein deutsches Sprachpaket gibt es nicht.
Vorinstalliert sind auf dem Telefon lediglich die Funktionen Telefon, Messaging und Kontakte.
Über ein Dashboard (dazu später mehr) lassen sich bei Bedarf noch die weiteren Funktionalitäten Directions(Navigation), Calculator, Music und Podcasts hinzufügen.
Schon nach dem ersten Start und der Verbindung mit meinem WLAN kam bei mir ein erstes Fragezeichen auf, nachdem ich gebeten wurde, einen „Light Account“ anzulegen. Mein erster Gedanke war: Wofür braucht man bei einem Dumb-Phone einen Account?
Später stellt sich heraus, dass man diesen Account benötigt, um sein Light Phone über das Dashboard (eine Website von Light) konfigurieren zu können (z.B. Funktionen hinzufügen oder Kontakte bearbeiten).
Ein Account lässt sich nur direkt auf dem Telefon erstellen. Leider gibt es weder bei Erstellung des Accounts auf dem Telefon, noch in dem Online-Dashboard eine Information zu Lizenzbestimmungen/Datenschutz. Auch auf der Hauptwebsite von Light sind die Datenschutzbestimmungen sehr spärlich dargelegt. Somit habe ich keine Ahnung was mit meinen Daten im Hause Light passiert. Dies finde ich vor allem fragwürdig, da ich Kontakte über ein Online Tool bearbeite. Ich kann das Light Phone auch ohne Account benutzen, bin dann allerdings auf die drei Grundfunktionalitäten beschränkt.
Die Performance des Telefons ist eher etwas für gemütliche Menschen. Mal schnell eine Nachricht verfassen oder kurz jemanden anrufen braucht immer etwas Zeit. Dies liegt leider nicht nur an dem behäbigen E-Ink Display sondern auch an der Software, die an manchen Stellen echt „laggy“ ist. Dabei ist die verbaute Hardware glaube ich nicht das Problem. Ich vermute das Problem eher in dem Android, auf dem das Benutzer-Frontend als App läuft.
Gerade bei einem Gerät mit einer so eingeschränkten Funktionalität und ohne ein offenes System, wäre der Hersteller meiner Meinung nach mit einem proprietären, komplett auf das Gerät abgestimmten Betriebssystem deutlich besser und performanter unterwegs. Dadurch und durch das langsame E-Ink Display ist die Bedienung des Gerätes schon sehr hakelig und man braucht oft mehrere Versuche um z.B. eine Menüoption wie gewünscht zu setzen. Hier ist auf jeden Fall noch deutlich Luft nach oben.
Das Tippen habe ich bei der Haptik schon angesprochen. Die Buchstaben sind recht klein und größere Daumen könnten hier zum Problem werden.
Standardmäßig wird eine Art Lockscreen mit Uhrzeit angezeigt. Durch Druck auf den Kreis öffnet sich die „Recent activities“ Ansicht, wo die letzten Kontakte aufgezeigt sind, mit denen man telefoniert oder geschrieben hat. Oben rechts wird der Akkustand angezeigt. Über einen Druck auf die Menütaste auf der rechten Seite gelangt man zu den Einstellungen und den zusätzlichen Tools
Das Calculator Tool ist eine normale Taschenrechner Funktion. Hierzu brauche ich nicht mehr zu sagen.
Das Directions Tool ist ein sehr rudimentäres Navigationssystem. Das Directions Tool kann in den Betriebsarten „Offline Mode“ und „GPS Mode“ betrieben werden. Der Offline Mode besteht im Grunde aus einer scrollbaren Wegbeschreibung, wie sie auch z.B. aus Google Maps generiert werden kann. Die Datenbasis ist hier allerdings HERE Maps, die ein bisschen weniger umfangreich ist als Google Maps. Es kann zu den einzelnen Wegpunkten auch immer ein Kartenausschnitt angezeigt werden.
Wenn das Telefon GPS Satelliten erfasst hat, was mitunter sehr lange dauern kann, dann wechselt das Telefon automatisch in den GPS Mode (sofern dieser in den Preferences als Preferred Mode eingestellt ist. Dann kann mit einer Kartenansicht und Navigationsanweisungen navigiert werden.
Die Kartenansicht ist allerdings durch das ständige Refresh des E-Ink Displays und die sehr kleine, monochrome Darstellung weniger zu gebrauchen. Die Navigation mit den Pfeilen und Textanweisungen ist recht gut benutzbar. Allerdings würde ich die Navigation nicht für längere Trips nutzen wollen, da das Light Phone bei laufender GPS Navigation relativ warm wird und die Navigation auch ganz ordentlich am Akku zehrt (ca 5 Prozentpunkte in 10 Minuten.)
Das Music Tool ist eine sehr einfach gehaltene Funktion zum Abspielen von Audiodateien. Diese kann ich nicht etwa über USB auf das Telefon laden, sondern muss sie über das Dashboard(die Webseite …) hochladen und dann als Playlist auf mein Telefon laden.
Das Podcasts Tool lässt auch ein Streaming über eine Internetverbindung zu. Podcasts lassen sich auf dem Telefon suchen und abspielen. Light bedient sich hierbei an der iTunes Podcast Library.
Auf dem Telefon sind 1 GB Speicher für Audiodateien und Podcasts reserviert.
Das Music Tool und das Podcasts Tool habe ich nur ganz kurz angetestet, da für mich diese zusätzlichen Funktionen nicht so relevant waren und meiner Meinung nach sowieso en contraire stehen zu dem eigentlichen Verkaufsargument dieses Gerätes: Digital Detox/Offline.
Technik & Akku
Zur Performance des Gerätes habe ich im vorangegangenen Kapitel bereits einige Worte verloren. Ich glaube das die hakelige Bedienung aus einem (mangelhaften) Zusammenspiel von der Software mit dem sehr langsamen E-Ink Display resultiert. Der Prozessor und die 1 GB RAM sollten bei einer besser abgestimmten Software deutlich „smoother“ performen als sie es in diesem Gerät tun.
Das Display ist auch so ein eigenes Thema. Es handelt sich um eine recht langsame und niedrig aufgelöste Variante eines E-Ink Displays. Das macht die Bedienung sehr träge und leider ist die Darstellung im Zusammenspiel mit der matten Glasfront sehr verschwommen und unscharf. Dies passt leider nicht zum eigentlich ganz schicken, cleanen Design. Ich vermute die Verwendung eines E-Ink Displays ist vor allem mit einem geringen Energieverbrauch begründet, geht aber zu Kosten der Bedienbarkeit und der Darstellung. Ein LCD und ein leicht größerer Akku wären hier sicherlich die bessere Wahl gewesen. Zumal auch die Kontrastdarstellung des Displays nicht sehr schön ist.
Das Display ist mit einem Backlight ausgestattet, welches über den Lichtsensor in der Front gesteuert wird. Das Backlight wird aber nicht gedimmt, sondern nur ein- und ausgeschaltet. Allerdings ist die Helligkeit gut eingestellt und erleichtert die Ablesbarkeit im Dunkeln.
Und warum baut man eigentlich in ein Gerät von 2019 immer noch einen microUSB-Anschluss ein? Platzmangel kann hier nicht das Argument sein, da ein USB-C Anschluss nahezu die gleichen Ausmaße hat. Hier ist man einfach nicht mehr auf dem Stand der Zeit.
Die Sprachqualität ist passabel, aber verständlicherweise nicht mit einem aktuellen Smartphone vergleichbar.
Was meiner Meinung nach relativ nervig ist, ist der Vibrationsmotor. Dieser hat eine für mich sehr unangenehme Frequenz und zudem auch noch ein leicht „knarziges“ Geräusch. Leider wieder eine Eigenschaft, die die Wertigkeit des Gerätes in Frage stellt.
Der GPS-Empfang ist leider relativ schlecht. Man braucht schon optimale Bedingungen (freier Himmel) um einen vernünftigen GPS Fix zu erhalten. Im Auto hatte ich schon manchmal Probleme. Außerdem wird das Telefon bei laufender GPS Navigation recht warm und langsam und zieht ordentlich am Akku. Hier scheint es noch Effizienz- und/oder Leistungsprobleme zu geben.
Den Akku des Light Phone 2 habe ich mit einem USB Netzteil mit 1,5A Output geladen. Von 0% auf 100% hat es gute 3,5h geladen.
Im Standby mit eingeschaltetem WLAN und eingelegter SIM Karte bei gutem LTE Empfang hat das Telefon ganz knapp ( ca 1h) die 4 Tage Grenze unterschritten. Man muss dazu sagen, dass ich in der Zeit absolut NICHTS mit dem Telefon gemacht habe, nur ca. drei Mal am Tag das Display aktiviert, um den Akkustand zu checken. Ohne WLAN wird die Laufzeit vermutlich etwas höher sein.
Während eines Telefonates mit 30 min Länge hat das Light Phone 7% Akku verloren. Der Stromverbrauch steigt im Vergleich zum Standby also deutlich.
Alles in Allem kann man mit der Akkulaufzeit allerdings sehr zufrieden sein. Alles andere wäre bei dem Konzept des Light Phone 2 auch unpassend.
Preis & Fazit
Kommen wir nun zu einem letzten, spannenden Thema: dem Preis. Diesen habe ich mir erst angesehen, nachdem ich das Unboxing gemacht habe und mir das Gerät schon einige Zeit angesehen hatte. Als ich dann die UVP auf der Herstellerwebseite gesehen habe, sind mir fast die Augen aus dem Kopf gefallen. 299 USD soll das Gerät so wie es hier liegt kosten. Diesen Preis finde ich leider absolut nicht gerechtfertigt. Die Wertigkeit der Materialien und verbauten Komponenten, genauso wie der verwendeten Software lassen an vielen Ecken und Enden zu wünschen übrig. Hier hätte ich bei so einem Preis doch deutlich mehr erwartet. Das Gerät wäre sogar zu teuer, wenn hinten noch ein Apfel drauf wäre…
Und hinzu kommt auch noch die etwas fragwürdige Return Policy des Herstellers: keine. Der Hersteller gewährt beim Kauf auf der eigenen Homepage keine Rückgabe, außer im Garantiefall. Das ist bei solch einem stolzen Preis für so ein einfaches Gerät doch schon etwas happig.
So wie das Gerät hier liegt, hätte ich den Preis auf um die 150 Euro geschätzt. Derzeit findet man das Gerät relativ selten in einigen deutschen Shops für um die 300 Euro.
Kommen wir nun zu meinem Fazit:
Übersichtliche UI
Klein, leicht, handlich
Gute Akkulaufzeit
“Laggy" Bedienung
E-Ink Display
Preis
Das Light Phone 2 ist meiner Meinung nach leider nur eine Idee von einem Digital Detox Handy. Es konnte mich leider was die Bedienung und die Optik/Haptik angeht überhaupt nicht überzeugen. Die hakelige, unausgereifte Bedienung wäre für mich der Hauptpunkt, um dieses Gerät nicht zu kaufen. Und schon gar nicht zu diesem Preis. Die Konfiguration z.T. persönlicher Daten über einen Webservice ohne vorherige Einsicht der Datenschutzbestimmungen halte ich auch für etwas fragwürdig.
Alles in allem handelt es sich hierbei um eine nette Idee und ich verstehe den Ansatz total. Leider hapert es hier deutlich an der Umsetzung. Mangelnde Qualität und, wenn man mal ehrlich ist, schon wieder zu viel Funktionalität in einem Dumb Phone zu einem überhöhten Preis lassen hier leider keine Kaufempfehlung entstehen. Da tut es auch ein einfaches Handy für 25 Euro vom Grabbeltisch im Elektronikmarkt
Ich hoffe ich konnte hier meinen Eindruck vom LightPhone 2 einigermaßen schlüssig rüber bringen, und hoffe ich bekomme noch die Gelegenheit das ein oder andere weitere Gerät zu testen.
Euer Simon