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Testbericht - Anycubic i3 Mega S - 3D-Druck zum Haare raufen?

  • 14 September 2023
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Testbericht - Anycubic i3 Mega S - 3D-Druck zum Haare raufen?
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In den vergangenen Woche bekam ich die Möglichkeit die für mich allerersten Schritte im Bereich 3D-Druck zu gehen.

Da der Drucker hier in der Community bereits einige Male getestet wurde, beschränke ich die klassische Unboxing-Einleitung auf einen Hinweis auf die wirklich tollen Testberichte von @AlexDW (https://hilfe.o2online.de/testberichte-reviews-9/anycubic-i3-mega-s-3d-druck-fuer-jedermann-603787) sowie @regenstrom (https://hilfe.o2online.de/testberichte-reviews-9/3d-druck-mit-dem-anycubic-i3-mega-s-587629). Dort findet ihr die Basics und noch viel mehr, immerhin sind beide Berichte sogar „preisgekrönt“ 😀

Im folgenden Text soll es um das gehen, was einen (3D-)Drucker ausmacht: Nämlich das Druckerlebnis an sich. Wie ich in den letzten Wochen lernen musste, inklusive dazugehöriger Emotionen wie Freude, Überraschung, Frust und Leid.

 

EINLEITUNG

Zunächst sollte man wissen, dass ein 3D-Drucker nicht einfach nur das dreidimensional-druckende Pendant zu einem normalen Drucker ist. An dieser Stelle sei erwähnt, dass ich eben jene normalen Drucker abgrundtief hasse. Selbst als gelernte IT-Fachkraft bin auch ich nervlich am Ende, wenn der Drucker mal wieder streikt. Viele negative Erfahrungen mit Druckern haben mich in den letzten Jahrzehnten geprägt. Und dennoch freute ich mich riesig, als ich erfahren habe dass ich das erste mal mit einem 3D-Drucker hantieren darf.

Natürlich hatte ich im Vorfeld einige Ideen, was ich mit dem Drucker so anstellen würde. Aber ich musste mich in der Vergangenheit nie explizit in das Thema einarbeiten. Denn wie erwähnt ist es nicht wie bei einem normalen Drucker: Einfach anschließen und ausdrucken. Ein 3D-Drucker (vor allem aber auch der Anycubic i3 Mega S) benötigt zunächst eine mehr oder weniger umfangreiche Kalibrierung, sowie umfassendes Know-How des Anwenders. Und so war also (endlich) der Zeitpunkt gekommen um tief in dieses „Rabbithole“ einzutauchen. Schon nach wenigen Tagen war ich so tief in diesen Kaninchenbau eingedrungen, dass ich schon gar kein Tageslicht mehr sehen konnte. Ich konnte mich plötzlich fließend in PLA, PVB, STL und OBJ unterhalten. Meine Frau sah mich an, als käme ich von einem anderen Stern.

Aber warum muss man sich plötzlich mit so vielen dreistelligen Abkürzungen auseinander setzen? Zum Vergleich: Um auf einem normalen Drucker etwas auszudrucken, benötige ich bspw. eine Word-Datei in der ich mein Druckerzeugnis vorbereite.
Das Äquivalent beim 3D-Druck wäre eine STL- oder auch eine OBJ-Datei. In sämtlichen gängigen 3D-Grafikprogrammen lassen sich solche Dateien erstellen. Sobald man mit seinem virtuellen Ergebnis zufrieden ist, muss dieses Dateiformat noch druckbar gemacht werden. Diesen Vorgang nennt man „slicen“. Wie der Begriff schon vermuten lässt, wird (durch eine weitere Software) das 3D-Objekt in Scheiben geschnitten, da der 3D-Drucker letztendlich Scheibe für Scheibe aufträgt. So weiß der Druckkopf dann genau wie er sich zu bewegen hat und an welchen Stellen er wie viel Material „ausspucken“ muss.

 

EINRICHTUNG

Nachdem ich die Theorie also soweit verstanden hatte, konnte es endlich mit dem ersten Druck losgehen. Zuvor muss gemäß Anleitung das Druckbett (also die Bodenplatte, auf der gedruckt wird) nivelliert werden. Man soll also eigentlich nur dafür sorgen, dass die Platte gerade ausgerichtet ist, damit die erste Schicht gleichmäßig gedruckt wird. Dem Drucker beiliegend ist nur eine recht wenig aussagekräftige Kurzanleitung. Das deutlich umfangreichere PDF-Manual von der Hersteller-Website bietet zwar mehr Inhalt, ist aber an einigen Stellen ebenfalls dürftig beschrieben. Für absolute Anfänger in der Thematik ist das eine teils frustrierende Herausforderung.
Gemäß Anleitung hat man nun ein Blatt Papier auf das Druckbett zu legen, den Druckkopf in eine sehr niedrige Position zu bringen und kann dann anhand von Stellschrauben am Druckbett, dieses entweder nach oben oder unten bewegen. Das Ziel soll sein, dass das Papier „mit Widerstand“ unter dem Druckkopf weggezogen werden kann. Der Druckkopf soll also nahezu auf dem Boden aufliegen.
Auch dieser Punkt ist total frustrierend und ehrlich gesagt auch total albern. Warum kann der Druckkopf nicht von sich aus den Abstand zur Druckplatte kennen? Die Beschreibung des Herstellers zur Kalibrierung ist einfach zu ungenau. Was bedeutet „mit Widerstand“ Papier durchziehen? Wie viel Widerstand? Was für Papier? (80g/mm2?) Sollen Furchen im Papier entstehen? Oder soll der Druckkopf nur leicht in Berührung kommen?

Wie sich später herausstellen sollte, ist die Nivellierung für ein gutes Druckergebnis essentiell und daher erschließt sich mir nicht, wieso dieser Punkt so unnötig kompliziert ist.

 

DER ERSTE DRUCK

Nachdem nun die Nivellierung abgeschlossen wurde, konnte es endlich losgehen mit dem ersten Druck. Man hat entweder die Möglichkeit den Drucker per USB anzuschließen oder die Datei(en) auf einer SD-Karte abzuspeichern. Letzteres wird vom Hersteller empfohlen. Grund ist hier, dass der Druck bei Verbindungsproblemen unterbrochen und damit auch ruiniert werden kann. Generell sagt der Hersteller, der Anschluss via USB sei nur für Profis. Während des Tests habe ich daher die Finger davon gelassen und ausschließlich via SD-Karte gedruckt 😅

An der Stelle sei erwähnt, dass die beiliegende SD-Karte eine der langsamsten Karten ist, die ich je in den Händen hielt. Eine druckfertige Datei im .gcode-Format ist zwischen einigen Hundert KB und wenigen einstelligen MB groß. Die Übertragung solch einer Datei dauerte schon mal 10 bis 30 Sekunden. Kein Weltuntergang, aber in der heutigen Zeit unglaublich nervig.

Gemäß Anleitung soll man eine Datei drucken, die sich auf der Karte befinden soll. Allerdings hat der vorherige Tester wohl diese Datei gelöscht. Aus diesem Grund habe ich mich dazu entschieden direkt das erste eigene Projekt anzugehen: Ein 3D-Modell von Alpha, einem Chocobo aus Final Fantasy 14. Und das Ergebnis nach rund 6 Stunden Druckzeit konnte sich auf den ersten Blick sehen lassen:

Das Drucken an sich hat etwas unglaublich beruhigendes. Auch wenn es vermutlich ähnlich ist, wenn man einer Waschmaschine beim waschen zuschaut, aber die ruckartigen, zielgenauen Bewegungen des Druckkopfs sind echt faszinierend.

Was wiederum stört, ist die Lautstärke des Druckers. Lt. Messung meiner Smartwatch liegt die Lautstärke während des Drucks bei rund 60dB. Konzentriertes Arbeiten in unmittelbarer Nähe ist wenn überhaupt nur mit Noise-Cancelling-Kopfhörern und passender Musik möglich. Ebenfalls sehr laut ist das Lüftergeräusch zu Beginn des Aufwärmens. Dieses wurde bereits in vorherigen Berichten angesprochen und klingt meiner Meinung nach eher nach einem Defekt.

Schaut man sich das Druckergebnis etwas genauer an, findet man doch einige Problemstellen. Immerhin dachte ich, man könne den 3D-Drucker auch für filigranere Modelldrucke nutzen. Sichtbar sind jedoch dünne Kunstofffäden - im 3D-Druck-Fachjargon spricht man vom „stringing“. Ebenfalls klar sichtbar sind Lücken zwischen den einzelnen Schichten. Einige Stunden Recherche führten zu dem Ergebnis, dass man offensichtlich mit den Einstellungen des Drucks rumspielen muss.

 

KALIBRIERUNG

Und hier kommen wir zu dem großen Nachteil dieses Druckers: Dem Frustrationsfaktor bei der Suche nach den perfekten Einstellungen. Natürlich war mir klar, dass man nicht einfach per Knopfdruck perfekte 3D-Modelle bekommt. Aber den tatsächlichen Aufwand bei der Suche zu den perfekten Druckeinstellungen habe ich komplett unterschätzt. Je nach Material benötigt man unterschiedliche Druck-Temperaturen. Hier können 5°C mehr oder weniger einen riesigen Unterschied machen. Je nach Schicht lassen sich diese noch einstellen. Bei falscher Temperatur leidet also die Druckqualität.
Zusätzlich dazu ist entscheidend wie der Drucker bei Bewegungen umgeht. Die sogenannte „Retraction“ sagt, wie viel Material der Drucker zurückzieht, bevor sich der Druckkopf erneut in Bewegung setzt. Das darf erst ab einer bestimmten Distanz passieren, die der Druckkopf zwischen zwei Druckpunkten zurücklegt. Ansonsten leidet die Druckqualität. Ebenfalls muss die Geschwindigkeit des Zurückziehens stimmen, diese darf nämlich nicht zu schnell und auch nicht zu langsam sein. Ansonsten leidet die Druckqualität. Ebenfalls darf die Menge des zurückgezogenen Materials nicht zu viel und auch nicht zu wenig sein. Ansonsten leidet die Druckqualität. Ihr versteht worauf ich hinaus will…
Sämtliche dieser Einstellungen lassen sich pro Druckdatei festlegen. Und hier spricht man buchstäblich jeweils von Millimeter-Entscheidungen.

Was nach dem ersten Modell folgte, war eine komplette Woche (!) an reinen Test- und Kalibrierungsdrucken. Hierzu gibt es spezielle Druckvorlagen auf Plattformen wie thingiverse. Also hieß es Datei drucken, Einstellungen merken/dokumentieren, überprüfen ob das Druckergebnis besser oder schlechter wird, dann die Einstellungen enstprechend anpassen und wieder von vorn.

Hier ist mal ein kleiner Überblick verschiedener Testdrucke die sich nach ein paar Tagen angesammelt haben:

 

FORTSETZUNG FOLGT (mein Beitrag ist zu groß)


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DRUCK-ERGEBNISSE

Letztendlich habe ich zwar nicht die perfekten Einstellungen gefunden, allerdings habe ich mit den für mich besten Einstellungen einfach weitergemacht. Und dann fing auch endlich der Spaß an: Ab diesem Zeitpunkt lief der Drucker über eine Woche lang quasi ununterbrochen.

Anstatt einer filigranen Figur, habe ich mich als nächstes für etwas kantigeres entschieden. Fans der Bundesgartenschau erinnern sich vielleicht noch an Karl, das Maskottchen der Buga 2019:

In der rechten Hand sollte Karl eigentlich eine Blume halten. Aufgrund der physikalischen Begebenheiten ließ sich das so nicht realisieren, da nach unten hin nichts die Blume festhält. Die Blume hängt nun an Karls Gesicht. Um das Problem zu umgehen gibt es die Möglichkeit, eine Support-Struktur zusätzlich zu drucken. Das ganze sieht dann im Vergleich so aus:

Die Support-Struktur ließ sich recht simpel abbrechen, allerdings nicht im Bereich der Blume. Außerdem ist die generelle Druckqualität, aufgrund der Berührungspunkte mit dem Modell auch nicht so das Wahre:

 

Daher habe ich nun (mehr oder weniger) sinnvolle größere Dinge gedruckt, deren 3D-Dateien ich im Internet gefunden habe. Hier mal meine Highlights:

Schluss mit Chaos in der Schublade: Eine Halterung für Armbänder für die Apple Watch
Die physikalischen Grenzen austricksen? Mit einem 3D-Druck kein Problem
...zumindest wenn man es aus dem richtigen Blickwinkel betrachtet ;-)

 

Beim Druck sehr schön zu sehen: Die innere Stabilitätsstruktur. Auch zu sehen: Der qualitativ nicht so gut gelungene rechte Arm
Groot als Halterung für das Apple Watch Ladegerät

Vielleicht möchte man auch einfach mal sehen und fühlen, wie sich die große Apple Watch Ultra am eigenen Handgelenk macht? Einfach ausdrucken! Hier ist sie im Vergleich mit einer normalen Apple Watch:

Der Druck selber ist leider wieder sehr ungenau sobald es filigran wird, wie man sehr gut an der Seite und Unterseite erkennt:
 

 

Was nun noch bleibt, ist Drucke anzumalen. Und da hier allerdings schon so viel Text steht, werde ich das in Kürze als Update unter diesem Beitrag hinzufügen.

 

FAZIT

3D-Druck macht Spaß! Trotz aller Frustrationen ist es ein tolles Gefühl nach 5 oder 6 Stunden etwas in der Hand zu halten, das kurz vorher nur virtuell am PC zu bestaunen war. Und sowieso: Es gibt außer der Größe des Druckobjekts quasi keine Limitierungen. Brauche ich eine Halterung für eine Mehrfachdose? Einfach drucken! Organizer für den Schreibtisch? Einfach drucken! Simples Spielzeug? Einfach drucken!

Das Filament ist dabei überraschend ergiebig. Netterweise wurden mir zwei Rollen mit jeweils 1kg Material zur Verfügung gestellt. Nach wochenlangem Gedrucke habe ich nicht mal eine Rolle leer bekommen. Dazu gibt es auch die verschiedensten Materialien: Filament in Holz-, Beton, oder auch Stein-Optik. Sogar stromleitendes Filament.

Vor allem wenn man auch mit 3D-Programmen umgehen kann, macht das Thema noch mehr Spaß. Ich habe meiner Frau und mir kleine Anhänger für Gefäße im Badezimmer in Blender designed und diese dann gedruckt. Zwischen Idee und fertiger Umsetzung lagen nur wenige Stunden. Das macht 3D-Druck aus und das liebe ich daran.

Enttäuscht bin ich nur von der Qualität filigraner Drucke. Hierzu ist es wohl besser mit einem Kunstharz-Drucker zu arbeiten, welche deutlich feinere Ergebnisse erzielen. Darüber hinaus nimmt einem das ständige Suchen nach den perfekten Einstellungen eine Menge Spaß.

Kann ich dieses Gerät also empfehlen? Alleine aufgrund fehlender automatischer Nivellierung definitiv nicht. Als Einsteiger-Modell für Tüftler aber definitiv. Für mich kommt aufgrund der feineren Druckqualität wohl eher ein Kunstharz-Drucker in Frage, da ich persönlich mehr Spaß an filigraneren Figuren und Objekten habe.

 

Positiv

  • Unglaublich vielseitig einsetzbar. Der Kreativität sind kaum Grenzen gesetzt
  • Filament sehr ergiebig (ich habe in all der Zeit nur etwas über 700g verbraucht, also nicht mal eine Spule)
  • Sehr große Drucke möglich

Negativ

  • Filigrane Modelle nur bedingt möglich
  • Sehr viel auf eigene Faust zu lernen, Bedienungsanleitung nicht sehr klar
  • Lautstärke

Danke an das o2-Team, dass ich diese Möglichkeit bekommen habe. Und irgendwie auch nicht, weil ich mir nun definitiv einen Drucker zulegen muss 😅

P.S.: Danke auch an die Person, die an Karton-Innenseite und Verpackungsmaterial Zahlen geschrieben hat, zwecks einfacherem Verpacken zur Rücksendung. Ich mache zwar immer Bilder beim Auspacken um alles wieder in den Ursprungszustand zu versetzen, aber dank dieser Hinweise hätte ich das gar nicht gebraucht. Sehr hilfreich!

Sehr starker Text. Den Chocobo hab ich sofort erkannt, ohne vorher gelesen zu haben :D Ich wusste gar nicht, wieviel Geduld man für diese 3D Geschichten braucht.

Mega Testbericht @saykopath vielen lieben Dank und ich bin so gespannt auf die angemalten Ergebnisse. 😍

Liebe Grüße

Jenni

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Während ich ein wenig vor mich hin prokrastiniert habe und dabei meine noch unangemalten Drucke begutachtet habe, fiel mir auf dass ich einen fertigen Druck ganz vergessen habe zu präsentieren: Es ist nämlich durchaus möglich QR-Codes zu drucken. So lassen sich auf recht kreative Art und Weise so etwas wie eine eigene Website oder generell Dinge teilen, auf die man gern aufmerksam machen möchte. 

Das Ergebnis kann sich dann durchaus sehen lassen. Zunächst hatte ich Angst, dass der Druck nicht detailliert genug war. Nachdem ich den Druck aber mit einem weißen Stempelkisten eingefärbt habe, klappt die Erkennung in 98% aller Fälle einwandfrei. Probiert’s selbst, beim scannen am Bildschirm hat es bei mir leider nur selten geklappt:

 

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