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Die deutsche Wirtschaft ist von der Coronakrise stark betroffen. Doch womöglich kann die aktuelle Krise Deutschland in einem Punkt wachrütteln: Digitalisierung. Digital Economist und Dozent an der TU Darmstadt Dr. Holger Schmidt verfolgt seit über zwei Jahrzehnten die digitale Transformation in Deutschland.

Viele Bereiche unseres täglichen Lebens haben sich in der Coronakrise ins Digitale verlagert. Vor diesem Hintergrund diskutierte Dr. Holger Schmidt gemeinsam mit Markus Rolle, CFO von Telefónica Deutschland, am vergangenen Dienstag bei BASECAMP ON AIR über den aktuellen Stand und mögliche Chancen der Digitalisierung in Deutschland. Wir haben bei Dr. Holger Schmidt in einem Interview nachgehakt, ob die Coronakrise mögliche Handlungsfelder ans Tageslicht gebracht hat.

 

“In einigen Bereichen sind wir noch nicht so weit - vor allem beim digitalen Lernen und Lehren, der Verwaltung und im Gesundheitswesen.”

 

Herr Dr. Schmidt, an welchen Stellen hat die Corona-Pandemie Nachholbedarf beim Thema Digitalisierung aufgezeigt?

Spürbar wurde der Nachholbedarf vor allem an Schulen, im Gesundheitswesen und der Verwaltung. Homeschooling hat nur in wenigen Fällen gut funktioniert. In den meisten Schulen bestand Homeschooling darin, dass Lehrer Seiten kopiert und den Schülern per Mail zukommen haben lassen. Die Schüler wurden dann leider mit der Bearbeitung alleingelassen. Effektiver Online-Unterricht, der heutzutage technisch durchaus möglich ist, gab es nur selten. Insofern sehe ich hier dringenden Bedarf, damit wir künftig auf Extremsituationen besser vorbereitet sind.

Aus unternehmerischer Sicht hat sich deutlich gezeigt, dass die Thematik rund um das Homeoffice seit Jahren weggeschoben wurde. Mit dem Coronavirus mussten Unternehmen das Thema dann kurzfristig über Nacht umsetzen. Natürlich hat es anfangs hier und dort geruckelt, bis alles funktioniert hat. Kolleginnen und Kollegen mussten sich dazu die notwendigen Tools für die Arbeit und zur Kommunikation in kürzester Zeit aneignen, damit die Arbeitsprozesse trotz der Ausnahmesituation glatt laufen konnten.

Letzten Endes war das aber die perfekte Gelegenheit, um sich neue Kenntnisse anzueignen. Das Beste daran: Diese Fähigkeiten werden uns auch langfristig weiterhelfen, künftig flexibler mit dem Thema Homeoffice und mobilem Arbeiten umzugehen und damit auch möglichst viele überflüssige Dienstreisen einzusparen.

 

“Unternehmen, die schon frühzeitig auf digitale Vernetzung gesetzt haben, sind in der Krisenzeit klar im Vorteil.”

 

Wer geht aus der Coronakrise als Gewinner hervor? Und wer als Verlierer?

Langfristig haben wir beim Thema Digitalisierung gemerkt, dass wir auch in Sachen “Smart Factory”, also der Automatisierung der Produktion, einen deutlichen Schritt nach vorne gehen müssen. Unternehmen, die ihre Arbeitsprozesse bereits auf digitalem Wege bestreiten, kommen besser durch die Krise, da sie die Produktion viel einfacher wieder hochfahren können. Digital aufgerüstete Unternehmen gehen als Gewinner aus der Krise.

Ein gutes Beispiel hierfür sind auch Online-Verkaufsplattformen, die sich schnell von Kursverlusten an den Börsen erholt haben und auf ihr Allzeithoch zurückgeschnellt sind, da sie in dieser Corona-Zeit ohne große Einschränkungen weiterarbeiten können. Gleichzeitig haben die Plattformen auch analogen Verkäufern ermöglicht, ihre Güter online zu vermarkten und so ihre Geschäfte aufrechtzuerhalten.

Neben einigen Digitalisierungsgewinnern gibt es auch eine Vielzahl an Verlierern, die schmerzlich erfahren mussten, dass eine Investition in die Digitalisierung und Vernetzung ihrer Unternehmen geholfen hätte.

 

Könnten die Folgen von Corona zum Turbo für die Digitalisierung werden?

Wir werden kurzfristig wohl wieder einen Schub in Richtung Automatisierung der Produktion sehen – auch dem geschuldet, dass die Automatisierung nicht mehr nur ein reines Kostenthema ist, sondern sich jetzt auch zu einer strategischen Komponente entwickelt hat. Unternehmen wollen wieder unabhängiger von fragilen Lieferketten und widerstandsfähiger gegenüber globalen Lockdowns, wie wir sie eben erlebt haben, werden.

Die nächsten Schritte werden sein, dass wir die Produktion – soweit möglich – zurück nach Europa holen werden, um diese Fragilität zu mindern. Dazu gehört auch die Automatisierung und die fortschreitende Digitalisierung der Prozesse.

 

Ihr habt das Online-Event verpasst? Kein Problem: Die BASECAMP ON AIR-Veranstaltung “Wege aus dem Stillstand – Digitalisierung als Turbo für Deutschland” mit Dr. Holger Schmidt und Markus Rolle gibt es online zum Nachsehen.

 

“Wir müssen den Ausbau der digitalen Infrastruktur schlauer angehen und beschleunigen.”

 

Wo bestehen Ihrer Meinung nach aktuelle Probleme beim bundesweiten Netzausbau?

Da gibt es zum einen die regulatorischen Faktoren. Wir haben in Deutschland sehr lange Genehmigungszeiten – von einem Jahr bis zu 18 Monaten – für die Genehmigung eines neuen Mobilfunkmasts. Diese Zeiten sollten verkürzt werden, sonst kommen wir mit dem Netzausbau, geschweige denn mit 5G, nicht voran.

Was schon lange ein Dorn im Auge ist: Die Versteigerung der Frequenzen, angefangen mit der Versteigerung der UMTS-Frequenzen im Jahr 2000. Diesen Fehler hat man leider mit den 5G-Frequenzen wiederholt, um dann anschließend für einen schnelleren Ausbau Geld hinterherzuschieben. Es gibt sicherlich clevere Wege und Möglichkeiten, den Ausbau der Infrastruktur schneller voranzutreiben, zumal wir hier in Deutschland im weltweiten Ländervergleich mit beispielsweise China, Südkorea oder den USA hinterherhinken. 5G wird essenziell für unsere Industrie und Wirtschaft sein, deswegen müssen wir hier künftig schlau vorangehen und den Ausbau der Netze beschleunigen.

 

“Die Netze haben den Stresstest rund um Corona sehr gut gemeistert.”

 

Mobile Vernetzung war in den letzten Wochen wichtiger denn je, deshalb hat o2 auch für die Sicherung der Grundkommunikation gesorgt. Hatten Sie den Eindruck, dass die mobile Vernetzung trotz des Anstieges der Datennutzung insgesamt gut funktioniert hat?

Die Netze haben den Stresstest rund um Corona sehr gut gemeistert. Hier gab es generell wenig Grund zur Beanstandung. Klar, technische Schwierigkeiten treten immer mal wieder auf, das ist aber auch ganz normal. Im Großen und Ganzen kann man den Infrastruktur-Providern, durch die unsere Online-Kommunikation stabil aufrecht gehalten werden konnte, ein großes Lob aussprechen. Das hat alles gut funktioniert und war in ganz seltenen Fällen irgendein Problem.

 

Wie wird sich das Leben für den Einzelnen durch die fortschreitende Digitalisierung verändern? Wird Homeoffice zum neuen Standard?

Viele Arbeitnehmer freuen sich, wieder ins Büro zu dürfen, um ihre Kolleginnen und Kollegen zu sehen. Das Schwätzchen in der Kaffeeküche bekommt man digital nur schwer abgebildet. Es ist ja auch wissenschaftlich belegt, dass die zwischenmenschliche Beziehung für die Effektivität der Arbeit eine wichtige Rolle spielt.

Eine Mischung aus Präsenz im Büro und die Selbstverständlichkeit des flexiblen mobilen Arbeitens wäre aber ein sinnvoller Ansatz. Arbeitnehmer und Arbeitgeber wissen jetzt, wie es geht, dass es funktioniert und das ist aus digitaler Sicht ein Riesenschritt. Das Gleiche beobachte ich in meinen Vorlesungen, die aktuell per Videokonferenz stattfinden: Die meisten Studierenden vermissen den persönlichen Kontakt. Auch hier sollten wir das Beste aus beiden Welten kombinieren.

 

5G ist eine Schlüsseltechnologie zur Sicherung des Produktionsstandortes Deutschland.”

 

Wo sehen Sie das Potenzial von 5G?

5G sehe ich in Deutschland als Schlüsseltechnologie, zumal wir die Smart Factory über das Konzept Industrie 4.0 eigentlich hier erfunden haben. Für die Sicherung des Produktionsstandortes Deutschland spielt 5G mit den geringen Latenzzeiten und Übertragungsraten eine essenzielle Rolle. Deswegen sollten wir uns auch sputen, die Infrastruktur in Form des Netzausbaus zeitnah zum Laufen zu bringen. Das autonome Auto fährt zwar auch ohne 5G, aber für unseren Industriekern ist 5G elementar. Und hiervon hängen bekanntlich viele Jobs ab.

 

Was sind Ihrer Einschätzung nach derzeit die spannendsten technischen Entwicklungen der Digitalisierung?

Angetrieben durch den Turbo der Quantencomputer ist die Entwicklung der KI, also der Künstlichen Intelligenz, ein sehr spannendes Thema – vor allem der vielseitige Einsatz im medizinischen Bereich. Natürlich braucht das Feld noch seine Zeit, bis es in voller Blüte steht. Zudem freue ich mich, wie bereits erwähnt, auf die autonomen Autos. Wie viele Stunden verbringen wir in Verkehrsstaus, die komplett verloren sind? Wenn uns künstliche Intelligenz diese Zeit schenkt, wäre das doch eine tolle Sache. Ich persönlich freue mich darauf.

 

“Wir sollten die Krise als Kickstart sehen, um bereits beschleunigte Digitalisierungsthemen gezielt weiter voranzutreiben.”

 

Was nehmen wir mit aus der Krise?

Wichtig ist es, die Digitalisierung voranzutreiben und gestärkt aus dieser Krise zu gehen. Es geht nicht nur um die Überlegung der nächsten Schritte, sondern darum, die digitalen Werkzeuge zu nutzen und das bereits Gelernte direkt umzusetzen.

Wir haben neue Ziele und viele Dinge, die wir besser machen können. Die Coronakrise hat einige Digitalisierungsthemen enorm beschleunigt, die wir vorher lange und mühsam diskutiert haben. Gerade für Deutschland und die vielen Unternehmen bietet dieser Kickstart neue Perspektiven und Möglichkeiten, die Digitalisierung voranzutreiben.

 

Fazit:

Die digitale Transformation in Deutschland wird in Industrie und Privathaushalten durch die Coronakrise ein ganzes Stück weiter vorangetrieben. Auch wenn die deutsche Wirtschaft nicht unbeschadet aus der Krise treten kann, gilt es laut Digital Economist und Dozent an der TU Darmstadt Dr. Holger Schmidt den Blick weiter nach vorne zu richten und neue zukunftsrelevante Ansätze zeitnah umzusetzen.


Bild: Getty Images

Aktualisiert am 13.11.2020 von o2_Juliane

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